Eisengusswerkstoffe – Gusseisen mit Lamellengraphit
Bei Gusseisen mit Lamellengraphit handelt es sich um eine Eisen-Kohlenstoff-Silicium-Gusslegierung. Wie in einem vorhergehenden Werkstofftechnik-Skript bereits erläutert wurde, liegt beim Gusseisen mit Lamellengraphit der Graphit in Form von dünnen, unregelmäßig geformten Stäbchen (=Lamellen) vor. Nach der aktuellen europäischen Norm DIN EN 1561 wird Gusseisen mit Lamellengraphit kurz mit GJL bezeichnet, die alte Bezeichnung für den Eisengusswerkstoff war GG (nach DIN 1691).
Eigenschaften von Gusseisen mit Lamellengraphit
Die Lamellen verleihen dem Werkstoff seine charakteristischen Eigenschaften, die neben dem metallischen Grundgefüge von der Menge, Größe, der Ausbildung und der Verteilung der Lamellen abhängen.
Da die Lamellen innerhalb des Werkstoffs wie kleine Kerben wirken, senken sie die Zugfestigkeit. GJL ist somit vergleichsweise spröde. Allerdings ist die Druckfestigkeit von GJL wesentlich höher als die Zugfestigkeit (ca. das 4-fache der Zugfestigkeit). Vorteilhaft wirken sich die Lamellen bei den Dämpfungseigenschaften (Graphitlamellen wirken wie kleine Stoßdämpfer), der Wärmeleitfähigkeit und der Formsteifigkeit aus. Außerdem können die Lamellen dem Gusseisen Selbstschmiereigenschaften verleihen, wenn sie durch Bearbeitung angeschnitten werden. Denn in den so entstehenden Hohlräumen lagert sich Schmiermittel ein. Wenn die Gusshaut unverletzt bleibt, besitzt Gusseisen mit Lamellengraphit eine gute Korrosionsbeständigkeit. Die Korrosionsbeständigkeit kann durch das Zulegieren von den Elementen Silizium, Chrom und Nickel weiter verbessert werden.
Eine Anpassung der Werkstoff-Eigenschaften kann durch legieren und gießtechnische Maßnahmen wie z.B. Temperaturführung erreicht werden. Außerdem kann Gusseisen mit Lamellengraphit unterschiedlichen Wärmebehandlungen (wie z.B. Härten, Nitrieren, Vergüten) unterzogen werden, um seine Eigenschaften zu verbessern. Für Wärmebehandlungen ist ein hoher Anteil an Perlit im Grundgefüge vorteilhaft.
Vorteile von Gusseisen mit Lamellengraphit sind:
- gute Gießbarkeit
- gute Spanbarkeit
- hohe Druckbeanspruchbarkeit
- schwingungsdämpfend
- gute Wärmeleitfühigkeit
- gute Formsteifigkeit
- gute Selbstschmiereigenschaften (durch Bearbeitung)
- gute Korrosionsbeständigkeit (bei unverletzter Gusshaut)
Nachteile von Gusseisen mit Lamellengraphit sind:
- spröde
- geringe Zugfestigkeit
- geringe Zähigkeit
- schlechte Verformbarkei
Einsatzgebiete für Gusseisen mit Lamellengraphit
Aufgrund der beschriebenen positiven Eigenschaften, insbesondere seiner guten Gießbarkeit, hat Gusseisen mit Lamellengraphit auch heutzutage ein breites Anwendunggebiet. Die Jahresproduktion von Gusseisen mit Lamellengraphit ist größer als die aller anderen Gusswerkstoffe zusammen.
Typische Einsatzgebiete für Gusseisen mit Lamellengraphit sind:
- Bauteile mit komplexen Geometrien
- Getriebegehäuse
- Kurbelgehäuse
- Werkzeugmaschinenbau
- Maschinenbetten
- Schiffsdieselmotoren
- Dampfturbinengehäuse
- Pumpen
- Ventile
Bezeichnungssystem für Gusseisen mit Lamellengraphit
a) Unlegiertes Gusseisen mit Lamellengraphit
Die Standardmäßige Bezeichnung für Gusseisen mit Lamellengraphit ist GG. Die Zahl hinter der Bezeichnung gibt die Mindestzugfestigkeit eines gegossenen Probestabes an.
Beispiele:
GG-15 => Mindestzugfestigkeit = 150 N/mm2
GG-30 => Mindestzugfestigkeit = 300 N/mm2
b) Legiertes Gusseisen mit Lamellengraphit
Bei legiertem Gusseisen mit Lamellengraphit werden hinter die Bezeichnung GG die wichtigsten Legierungselemente und ihr prozentualer Anteil geschrieben. Wobei man die Angegebene Zahl immer durch 10 dividieren muss. Teilweise wird auch der Kohlenstoffgehalt des Gusseisens angegeben. Diese Angabe muss immer durch 100 dividiert werden.
Beispiele:
Ohne Angabe des Kohlenstoffgehalts:
GG-CuMo 84 => 0,8% Cu + 0,4% Mo
Mit Angabe des Kohlenstoffgehalts:
GG-340 CuMo 84 => 3,4% C + 0,8% Cu + 0,4% Mo
Werkstoff-Tabelle
Im Folgenden eine Tabelle mit unterschiedlichen Sorten von Gusseisen mit Lamellengraphit, ihren Eigenschaften und Kennzahlen.
Gusssorte | GG-15 | GG-20 | GG-25 | GG-30 |
Werkstoffnummer | EN-JL1020 | EN-JL1030 | EN-JL1040 | EN-JL1050 |
Werkstoff-Kurzzeichen | EN-GJL-150 | EN-GJL-200 | EN-GJL-250 | EN-GJL-300 |
Grundgefüge | ferritisch-perlitisch | perlitisch | perlitisch | perlitisch |
Zugfestigkeit Rm [N/mm2] |
150 bis 250 | 200 bis 300 | 250 bis 350 | 300 bis 400 |
0.1%-Streckgrenze Rp0.1 [N/mm2] |
98 bis 165 | 130 bis 195 | 165 bis 228 | 195 bis 260 |
Bruchdehnung A [%] |
0,3 bis 0,8 | 0,3 bis 0,8 | 0,3 bis 0,8 | 0,3 bis 0,8 |
Brinellhärte HB 30 | 125 bis 205 | 150 bis 230 | 180 bis 250 | 200 bis 275 |
Elastizitätsmodul [kN/mm2] |
78 bis 103 | 88 bis 113 | 103 bis 118 | 108 bis 137 |
Druckfestigkeit [N/mm2] |
600 | 720 | 840 | 960 |
Biegefestigkeit [N/mm2] |
250 | 290 | 340 | 390 |
Scherfestigkeit [N/mm2] |
170 | 230 | 290 | 345 |
Poissonsche Zahl | 0,26 | 0,26 | 0,26 | 0,26 |
Biegewechselfestigkeit [N/mm2] |
70 | 90 | 120 | 140 |
Zug-Druck-Wechselfestigkeit [N/mm2] |
40 | 50 | 60 | 75 |
Bruchzähigkeit [N/mm3/2] |
320 | 400 | 480 | 560 |
Dichte [g/cm3] |
7,10 | 7,15 | 7,20 | 7,25 |
elektr. Widerstand [Ohm*mm2/m] |
0,80 | 0,77 | 0,73 | 0,70 |