Konstruktion & Entwicklung - Skript
In dieser Kategorie geht es um Normen und Richtlinien, die für den Maschinenbau relevant sein können.
Der Sinn von Normen besteht darin, die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf nationaler, europäischer sowie internationaler Ebene zuvereinfachen. Dabei stellt die Normung auch ein wichtiges Element der Wirtschaftspolitik dar.
Mit der Richtlinie 2006/42/EG (kurz: Maschinenrichtlinie), die am 17. Mai 2006 von europäischem Parlament und Europarat verfasst wurde, sind einheitliche Regelungen zur Unfallverhütung für Maschinen, welche innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) sowie der Schweiz und der Türkei in Verkehr gebracht werden, geschaffen worden. Die vollständige Neuregelung dieses Anwendungsgebietes löst die bisher für diesen Bereich geltende Richtlinie 95/16/EG ab.
Richtlinie 2006/42/EG - Ziele und Umsetzung
Die Zielsetzung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG besteht im Abbau von nichttarifären Handelsbarrieren innerhalb der Europäischen Union, wobei der auf EG-Ebene harmonisierte Rechtsbestand der Richtlinie die jeweils nationalen Bestimmungen der einzelnen Mitgliedsstaaten betreffend die Inverkehrbringung von Maschinen ersetzt. Dabei ist zu beachten, dass die Maschinenrichtlinie - wie alle Regulative, die auf Grundlage des EG-Vertrags ins Leben gerufen werden - in den einzelnen EG-Mitgliedsländern nicht automatisch in Rechtskraft erwächst. Dazu ist die Transformation in nationales Recht erforderlich.
In Deutschland erfolgte dieser Schritt in Gestalt der Maschinenverordnung (9. ProdSV) sowie durch das dieser Rechtsnorm zugrunde liegende Produktsicherheitsgesetz (ProdSG). Die Maschinenverordnung orientiert sich dabei praktisch direkt an den grundlegenden Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen, wie sie in Anhang I der EG-Maschinenrichtlinie definiert sind. In Österreich wird die Richtlinie durch die Maschinensicherheitsverordnung in nationales Recht umgesetzt.
Die Maschinenrichtlinie finden Sie außerdem kostenlos im Netz: http://www.maschinenrichtlinie.de/home/
Chronologie der Neufassung
Am 9. Juni 2006 wurde im EU-Amtsblatt (L 157) die Neufassung der Richtlinie 2006/42/EG veröffentlicht und durch die Maschinenverordnung - 9. ProdSV in nationales Recht umgesetzt. Sie löste am 29. Dezember 2009 die Richtlinie 98/37/EG ohne Übergangsfrist ab und ist seit diesem Datum bundesweit verbindlich anzuwenden.
Richtlinie 2006/42/EG: die wesentlichen Änderungen
- durch eindeutige Definition des Anwendungsbereiches der Richtlinie erfolgt eine Verbesserung der Abgrenzung zum Geltungsbereich der Niederspannungsrichtlinie und der Aufzugsrichtlinie
- Anwendbarkeit auf unvollständige Maschinen:
Auf unvollständige Maschinen und Geräte ist die EG-Maschinenrichtlinie nun ebenfalls anzuwenden, wobei die zugehörigen Unterlagen Aufschluss darüber zu geben haben, welche Bestimmungen der Richtlinie erfüllt wurden. Der Lieferumfang hat eine Einbauerklärung sowie eine Montageanleitung zu enthalten. Im Gegensatz zu Betriebsanleitungen, welche stets in der Sprache des Ziellandes abgefasst werden müssen, sind diese Dokumente in einer Amtssprache der EG zu erstellen, welche vom Hersteller jener Maschine, in welche die unvollständige Maschine eingebaut werden soll, akzeptiert wird.
- die grundlegenden Gesundheits- und Sicherheitsschutzanforderungen wurden dem aktuellen Stand der Technik sowie den geltenden Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen angepasst
- für als gefährlich geltende Maschinen können entsprechend Anhang IV der Richtlinie unterschiedliche Verfahren zur Bewertung der Konformität angewendet werden
- sämtliche Sicherheitsbauteile sind vom Inverkehrbringer der Maschine zwingend mit einer CE- Kennzeichnung zu versehen
Die DIN EN 61439 für den Bau von Steuerungs- und Schaltanlagen basiert auf der internationalen Norm IEC 61439 und ersetzt die bisherige DIN EN 60439 seit November 2014 vollständig. Diese Europäische Norm verkörpert den ganzheitlichen Systemgedanken einer Niederspannungs-Schaltanlage und bezieht sich unter anderem auf die elektrische Energieverteilung in industriellen Anwendungen und Gebäuden.
DIN EN 61439 - eine Norm für alle Niederspannungs-Schaltanlagen
Die Norm DIN EN 61439 beschreibt alle Nachweise und Anforderungen für alle Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen, häufig auch vereinfacht Niederspannungs-Schaltanlagen genannt, und ist für alle Schalt- und Steuerungsanlagen, Energieverteiler, Zählerschränke und Verteilerschränke für private sowie gewerbliche Gebäude, Kabelverteilerschränke, Installationsverteiler, Schaltgerätekombinationen in Sonderbereichen sowie für Baustromverteiler einzuhalten und bindend.
Eine Niederspannungs-Schaltgerätekombination beinhaltet die Gesamtheit aller elektrischen Betriebsmittel und Schaltgeräte zum Messen, Steuern, Regeln, Melden und Schützen mitsamt den Ein- und Ausgangsklemmen und inneren Verdrahtungen. Die Geräte können nebeneinander montiert oder in einem gemeinsamen Gebäude platziert sein.
Die DIN EN 61439 legt vor allem für Elektroinstallateure, Anlagenbauer und Planer sowie für Endkunden die sicherheitstechnischen Anforderungen für elektrische Betriebsmittel fest, damit der Schutz von Anlagen und Personen innerhalb der Elektroinstallation strikt eingehalten wird. Zu den elektrischen Betriebsmitteln zählen unter anderem Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen, Leistungsschalter, Klemmen und Leitungsschutzschalter.

Schalteinheiten
Aufbau und Geltungsbereich der Norm DIN EN 61439
Die Normenreihe DIN EN 61439 besteht aus einer grundlegenden Norm DIN EN 61439-1 und weiteren produktspezifischen Normen je nach Art der Niederspannungs-Schaltanlage. Diese Produktnormen DIN EN 61439-1 DIN EN 61439-6 gelten jeweils für die Planung, Montage, Herstellung, Prüfung und Dokumentation eines Verteilertyps und müssen gemeinsam mit der Grundnorm angewendet.
- IEC/TR 61439-0: Leitfaden für die Spezifikation von Schaltgerätekombinationen (keine Vorgängernorm)
- DIN EN 61439-1: Allgemeine Festlegungen für alle Arten von Schaltgerätekombinationen (zuvor DIN EN 60439-1)
- DIN EN 61439-2: Energie-Schaltgerätekombinationen (zuvor DIN EN 60439-1)
- DIN EN 61439-3: Installationsverteiler (zuvor DIN EN 60439-3)
- DIN EN 61439-4: Baustromverteiler (zuvor DIN EN 60439-4)
- DIN EN 61439-5: Kabelverteilerschränke (zuvor DIN EN 60439-5)
- DIN EN 61439-6: Schienenverteiler (zuvor DIN EN 60439-2)
Die Norm ist unter anderem an den aktuellen Stand der Technik angepasst und enthält neue Nachweise, Bemessungen und Begrifflichkeiten.
Wichtige Änderungen zur Vorgängernorm DIN EN 60439
Black-Box-Konzept:
Nach der neuen DIN EN 61439 Norm treten die Niederspannungs-Schaltanlagen mit vier klar definierten Schnittstellen in Kontakt. Im Zuge dessen wird jede Niederspannungs-Schaltanlage als sogenannte "Black Box" erklärt.
Die jeweiligen Schnittstellen sind:
- Anschließen an das elektrische Netz
2. Umgebungs- und Aufstellungsbedingungen
3. Stromkreise und Verbraucher
4. Bedienung und Wartung
Quelle: Hager
Die einzelnen Schnittstellen sind durch technische Eigenschaften und Merkmale bestimmt wie zum Beispiel die Bemessungsisolationsspannung Ui, die Bemessungsfrequenz fn oder Schutzart IP. Aus Sicht des Herstellers verfügt jede einzelne der Niederspannungs-Schaltanlagen über eine exakte Umsetzung der vordefinierten Schnittstellen, die zu den außerhalb der Betriebsmittel liegenden Installationen führen. Die Arbeit der Elektrofachkräfte gestaltet sich mithilfe des Black-Box-Konzepts aufgrund der Anwendung von vorgefertigten Verteilersystemen sicherer und einfacher.
Bauartnachweis ersetzt die Typprüfung der alten Norm:
Die Regelung der neuen Normenreihe DIN EN 61439 betont ausdrücklich die Pflicht zum Erbringen von Stück- und Bauartnachweisen, wobei der Stücknachweis den früheren Stückprüfbericht ersetzt. Der Bauartnachweis gilt für Niederspannungs-Schaltanlagen, deren Bemessungs-Spannung bei Wechselstrom 1000 V oder bei Gleichstrom 1500 V nicht überschreitet. Außerdem wird durch diese Neuerung die Zweiteilung in PTSK und TSK zugunsten des Konzepts der bauartgeprüften Schaltgerätekombination aufgehoben.
Darüber hinaus führt die Normenreihe DIN EN 61439 die Unterscheidung zwischen "ursprünglichem Hersteller" und dem "Hersteller der Schaltgerätekombination" ein. Ursprünglicher Hersteller ist derjenige, der die Niederspannungs-Schaltanlagen des jeweiligen Typs entwickelt hat und dazu nach alter Norm die Typprüfungen und nach neuer Norm die Bauartnachweise erbracht hat. Der Hersteller der Niederspannungs-Schaltanlagen ist derjenige, der aus den gesamten zugehörigen Komponenten die konkrete Schaltgerätekombination zusammengestellt sowie die Konstruktion montiert und verdrahtet hat.
Dokumentation der Bauartnachweise:
Der Bauartnachweis dient dem Nachweis der Übereinstimmung des Schaltgerätekombinationssystems oder der Schaltgerätekombination mit den Anforderungen dieser Normen-Reihe. Der ursprüngliche Hersteller muss die vollständige und detaillierte Dokumentation der einzelnen Bauartnachweise für die von ihm entwickelten Niederspannungs-Schaltanlagen inklusive aller Protokolle und Prüfberichte erstellen. Diese Dokumentation sollte er möglichst 10 Jahre archivieren. Diese einzelnen, unterschiedlichen Nachweise bestätigen, dass die zusammengefügten Komponenten einer Niederspannungs-Schaltanlage miteinander funktionieren.

Detailaufnahme aus einer Schaltanlage
Der Bauartnachweis muss folgende Kriterien enthalten:
- Festigkeit von Werkstoffen:
Manche Nachweise für die Festigkeit von Werkstoffen werden schon durch die Erfüllung der Anforderungen der Norm für die Leergehäuse erbracht (DIN EN 62208), sofern keine wesentlichen Änderungen vorgenommen werden. Aber dennoch ist eine Dokumentation der mechanischen Eigenschaften erforderlich. - Schutzarten von Gehäusen:
Falls ein Leergehäuse nach DIN EN 62208 verwendet wird, kann der erforderliche Nachweis auch durch eine Begutachtung erteilt werden. - Luftstrecken:
Dieses Kriterium kann nur durch eine Messung erfolgen. - Kriechstrecken:
Hier ist ebenso eine korrekte Messung notwendig. - Schutz gegen elektrischen Schlag und Durchgängigkeit von Schutzleiterkreisen:
Hierfür sind zwei Einzelnachweise notwendig
- Kurzschlussfestigkeit des Schutzleiterkreises
- Durchgängigkeit der Verbindung zwischen Körpern - Innere elektrische Stromkreise und Verbindungen:
Die korrekte Ausführung kann nur durch Begutachtung nachgewiesen werden. Im Zuge der Besichtigung ist es notwendig, die Bauanforderungen aus DIN EN 61439-1 Abschnitt 8.6 zu bestätigen. - Anschlüsse für von außen eingeführte Leiter:
Hierfür ist die Methode der Begutachtung notwendig sowie die Bestätigung der Bauanforderungen aus DIN EN 61439-1 Abschnitt 8.8. - Isolationseigenschaften:
Die Isolationseigenschaften der Betriebsmittel sind von der Anwendung im Gehäuse abhängig. Durch standardisierte Montagesysteme und Konstruktionsregeln kann der Hersteller der Anlage die Anforderungen ebenso erfüllen. - Erwärmungsgrenzen:
Für Schaltanlagen bis 1600 A wird die Nachweiserbringung mittels Erfassung und Berechnung der Verlustleistungen erbracht. - Kurzschlussfestigkeit:
Mögliche Nachweise
- Nachweis durch Vergleich mit einer Referenzkonstruktion
- Nachweis durch Prüfung - Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV):
Im Bauartnachweis müssen die gewählte Prüfmethode sowie die nachgewiesene Umgebungsbedingung erfasst sein. - Mechanische Funktion:
Dieser Nachweis kann nur durch Prüfung erfolgen.
Quelle: Siemens
Dokumentation der Stücknachweise:
Der Stücknachweis mit Informationen zu den Themen Schutzart von Gehäusen, Schutz gegen elektrischen Schlag und Durchgängigkeit von Schutzleiterkreisen, Luft- und Kriechstrecken, innere elektrische Stromkreise und Verbindungen, Anschlüsse für von außen eingeführte Leiter, Einbau von Betriebsmitteln, mechanische Funktionen, Isolationseigenschaften sowie Verdrahtung, Funktionen und Betriebsverhalten muss vom Hersteller erbracht werden.
Ein vollständiger Nachweis von Niederspannungs-Schaltanlagen enthält:
- Anlagendeckblatt
- Bauartnachweis
- Stücknachweis
Darüber hinaus umfasst das Anlagendeckblatt die Einsatzbedingungen der jeweiligen
Schalt- und Steuerungsanlage sowie die Bemessungsdaten.
Verteilte Verantwortungsbereiche:
In der Norm DIN EN 61439 sind die Verantwortungsbereiche spezifisch zwischen ursprünglichen Herstellern, Betreibern und Planern sowie Herstellern der Niederspannungs-Schaltanlagen aufgeteilt. Zum Beispiel ist der ursprüngliche Hersteller für das Erbringen von Bauartnachweisen und das Prüfen von Prototypen zuständig. Der Betreiber beispielsweise wird für den Anschluss an das elektrische Netz, für die Bedienung und Wartung sowie für die Stromkreise zur Verantwortung gezogen.